Donnerstag, 30. August 2012

Eine Kurzgeschichte für euch


Er war ein Opportunist, jemand der die Fahne nach dem Wind wehen liess. Die viel gepriesene eigene Meinung war bei Moody Fayed eher abhängig vom
Gesprächspartner. Er vermied es Stellung zu beziehen, und wenn dies unumgänglich war, drückte er sich schwammig und mehrdeutig aus. Seine Ausbildung und das spätere Studium absolvierte er durchschnittlich und unauffällig. Es war daher folgerichtig und vorhersehbar, dass sein beruflicher Werdegang in der Politik endete. Bekannt für nichtssagende aber endlose und inhaltsarme Phrasen war er beliebt bei Regierung und Opposition und fühlte sich wie ein Held, weil er oft gelobt wurde. Doch gelegentlich überkam ihn ein eigenartiges Gefühl der Melancholie. Dann, wenn er sich seiner Erbärmlichkeit bewusst wurde, tröstete er sich mit der Gewissheit eines soliden Einkommens und mit viel Alkohol. Dieser Kreislauf verschärfte sich im Laufe der Jahre. Die Folgen waren absehbar, wurden aber von MoodyFayed als Schicksalsschlag tränenreich beklagt. Von einem Burn-out-Syndrom war die Rede, vom ausgebrannt sein, und von psychosomatischen Störungen. Den Ausdruck angepasste Persönlichkeitsstörung vermieden die behandelnden Ärzte und der Patient mit aller Macht.
In der Entzugsklinik machte er Bekanntschaft mit einer kaum bekannten Persönlichkeit: mit seiner Eigenen. Er lernte, auf seine Bedürfnisse zu hören und nicht auf das, was so gerne von den Mitmenschen gehört werden wollte. Moody Fayed entsagte dem Alkohol, der Gefälligkeitsaussagen und mutierte zu einem verlässlichen Freund seiner selbst.

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